Dieses Glücksgefühl treibt mich noch immer an

08.03.25 Morgen ist die Premiere des neuen Märchens des Theaterensembles INTAKT des Freizeitforums im Arndt-Bause-Saal mit dem Namen "Grauchen - das hässliche Entlein". Geleitet wird das Theater seit 12 Jahren von Birgit Letze-Funke - Foto, mitte, mit Rosen, die ihr ihre Ensemblemitglieder nach der Vorstellung des Märchens "Regentrude" im vergangenen Jahr überreichten. Wir sprachen mit ihr über ihr Theaterengagement.
Wie kamst du zum Theater?
Auf Rollschuhen und mit Tanzschläppchen.
Da ging ich noch lange nicht zur Schule. Meine Großmutter brachte mich zum Kinderballett ins damalige HAUS DER JUNGEN PIONIERE an der Parkaue.
Der Pförtner ließ mich mit meinen Rollschuhen vorbeirollen, wies nach rechts und schickte Oma und mich zum Ende des Ganges, wo der Ballettsaal zu finden war. Ein Raum mit halbrunder Fensterfront und Spiegelwand. Faszinierend schön.
Bei Frau Wolf, der freundlichen Ballettmeisterin und dem Mann am Klavier, dessen Namen ich leider vergessen habe, schnupperte ich drei Jahre lang ganz zarte Bühnenluft.
Mit sieben Jahren durfte ich noch mehr davon atmen. Als Mitglied des Kinderballetts des Friedrichstadt Palastes stand ich neben der Schule mit Clown Ferdinand in vielen großartigen Kinderrevuen auf der riesigen Bühne dieses altehrwürdigen Hauses und tanzte mit viel Leidenschaft.
Leider hatte ich das Pech, dass die Lehrer an meiner Schule dieses gesellschaftliche Engagement nicht zu schätzen wussten und damit meinen Lerneifer nicht gerade beförderten.
Dankenswerterweise gaben mir meine Eltern immer den nötigen Rückenwind, dabei hatten beide beruflich gar nichts mit Theater zu tun.
Ich biss mich durch die Schulzeit, machte erste Spielerfahrungen im Arbeitertheater KWO, lernte dort meinen Mann kennen (mit dem ich eine wunderbare Tochter bekommen habe und im nächsten Jahr goldene Hochzeit feiern werde), nahm Um- und Abwege über Leipzig (Reclamverlag), Dresden (Theater Junge Generation), Studium an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig, um Anfang der Neunziger nach 18 Wanderjahren als Theaterwissenschaftlerin wieder nach Berlin zurückzukehren und als freischaffende Regisseurin und Schauspielerin noch immer mein Glück zu suchen.
Denn dieses Glücksgefühl bebender Aufregung, das mich bei meinem allerersten Auftritt als kleinster von sieben Zwergen so fasziniert hatte, ergreift mich noch heute und treibt mich noch immer an.

Du schreibst selbst, hast auch schon Bücher herausgegeben. Womit beschäftigen sich deine Texte?
Tatsächlich, schreibe ich seit vielen Jahren. Zuerst „nur“ Tagebuch, später Kurzgeschichten, Gedichte, Liedtexte und Bühnenfassungen für meine Theaterarbeit – z.Bsp. DIE WELLE nach dem Roman von Morton Rhue oder MEPHISTO nach dem Roman von Klaus Mann, damit bin ich als Autorin beim rowohlt theaterverlag angekommen.
Die Uraufführung war am Staatstheater Schwerin und wurde an großen Häusern wie Dresden, Kaiserslautern, Linz etc. gespielt.
Zur Zeit läuft gerade eine Inszenierung von MEPHISTO, basierend auf meiner Bühnenfassung, am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken, was mich sehr freut.
2020 brachte der Spica Verlag „GEHEIMES FRAUENWISSEN - Kurzgeschichten über die Liebe und andere Schwachstellen“ heraus.
Mit diesem kleinen Büchlein, übrigens mit wunderbaren Illustrationen von Antje Püpke, fielen wir direkt ins Corona-Loch. Keine offizielle Buchpremiere, erstmal keine Lesungen – es war wirklich traurig.
Aber nicht nur.
Die Corona-Pandemie hat diverse Absonderlichkeiten über uns alle gebracht und mich angeregt, meine unsortierten Gedanken aufzuschreiben. Eins meiner Enkelkinder ermutigte mich damals, Ein-Minuten-Geistes-Blitze in den Äther zu blasen.
So erblickte CORINNA mitten im ersten Lockdown auf @vortragskunst.de in einem Wahnsinns-Anfall zwischen Tatendrang und Depression das Licht der Welt von Instagram.

CORINNA ERZÄHLT IHNEN MAL WAT… füllte die erzwungene Pause während der Corona-Krise und brachte das TAGEBUCH EINER SYSTEM-IRRE-LEVANTEN BERLINERIN hervor. Wieder hat Antje Püpke treffend illustriert, wiederum hat der Spica Verlag die Herausgabe übernommen.


Birgit Letzte-Funke mit Mutter und Partner, die, wie sie sagt, sie immer sehr unterstützen.

Inzwischen ist das TAGEBUCH EINER SYSTEM-IRRE-LEVANTEN BERLINERIN – Corinna erzählt Ihnen mal wat… von mir selbst im feinen berliner Metrolekt eingelesen und als Hörbuch auf dem Markt.
(TAGEBUCH EINER SYSTEM-IRRE-LEVANTEN BERLINERIN - AudioBook von Birgit Letze-Funke | XinXii
TAGEBUCH EINER SYSTEM-IRRE-LEVANTEN BERLINERIN)
Damit stemme ick mich mit janzer Kraft dajegen, dass unsre wunderbare Art zu quasseln janz inner Versenkung verschwindet.
Musikalisch literarische Programme, die dit jute berliner Liedjut zu Jehör bringen oder mein Socken-Koffer-Theater für die jüngsten Zuschauer, machen mir genauso viel Spaß wie die Beschäftigung mit Märchen der Gebrüder Grimm und denen von Hans Christian Andersen.
Die Kunstmärchen von Theodor Storm haben es mir besonders angetan. Manchmal erzähle ich die Figurengeschichten weiter, schmücke sie aus. Mein Lieblingsstück ist dabei DES KAISERS NEUE KLEIDER, mit dem ich bei der letzten Lesenacht an der M8 dabei sein durfte.
Und am Sonntag wird GRAUCHEN – DAS HÄSSLICHE ENTLEIN (nach Motiven von Hans Christian Andersen) im Freizeitforum auf die große Bühne kommen.
Das INTAKT - Inklusive TheaterEnsemble des Freizeitforums Marzahn hatte im letzten Jahr das Publikum befragt, das sich mehrheitlich für die berührende Geschichte vom Fremd- und Anderssein eines kleinen hässlichen Entleins entschieden hatte


Womit beschäftigst du dich in deiner Freizeit?
Ich schreibe an einem Roman, der wahrscheinlich niemals fertig wird…
Am liebsten baue ich mit meinem Mann und der Familie an einem 250 Jahre alten Haus in Mecklenburg, das wahrscheinlich auch niemals fertig wird…
Was liegt dir am Herzen?
Liebe. Wahrheit. Kunst und Kultur. Kultur im Umgang zwischen Menschen. Respekt, Toleranz und Eigenverantwortung.
Seit 12 Jahren leitest du das Theaterensemble Intakt im Freizeitforum. Was ist das für ein Theater?
Seit 2011 existiert das TheaterEnsemble im Freizeitforum Marzahn, seit Januar 2013 hat es sich unter meiner Leitung kontinuierlich zu einem generationen- und herkunftsübergreifend arbeitenden Ensemble entwickelt.
INTAKT steht für Inklusion und Zusammenhalt – wir machen das nämlich ganz selbstverständlich und schon seit 12 Jahren!
Wo und wie probt ihr?
Wir proben außerhalb der Schulferien immer montags und mittwochs in unserem Probenraum im FFM. Inzwischen haben wir großartige Helfer, die im Hintergrund am Gelingen unserer Produktionen einen unschätzbaren Anteil haben.
Wer schneidert die Kostüme?
Viele phantasievolle Kostümteile entstanden mit Hilfe von Tamara Rauschenbach und Dorothea Becker.

Woher kommen die Schauspieler?
Heute vereint das INTAKT Ensemble etwa 20 Mitglieder zwischen 9 und 90 Jahren, Menschen mit und ohne Handicap, mit und ohne Migrationshintergrund, arbeitslos, studierend, berentet, voll im Berufsleben – eben die gesamte Bandbreite der Bevölkerung…

Wer schreibt die Texte?
Ich schreibe die meisten Texte für das Ensemble selbst, weil damit für alle Mitstreiter adäquate Spielaufgaben geschaffen werden können.
Wer baut das Bühnenbild?
Glücklicherweise helfen uns beim Bau phantastischer Dekorationsteile seit Jahren Bernd Alcer und seine Mitarbeiter von der Tagesstätte Sucht GmbH, Marzahn. Und seit 2024 gibt es eine unvergleichliche Zusammenarbeit mit den Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung GmbH, BT Marzahn.
Warum inszeniert ihr nur Märchen?
Das tun wir gar nicht, obwohl alle große Freude an den Märchenproduktionen haben.
Dieses Ensemble hat neben 13 sehr erfolgreichen Märchenproduktionen auch Musikalisch-Literarische Programme, sowie mit dem Projekt SCHREIBSPIELTHEATER in Kooperation mit der Bibliothek und dem FAIR das Jugendstück SELEKTION auf die Bühne des FFM gebracht.
Morgen hat das 12. Märchen des Theaterensembles INTAKT im Freizeitforum unter deiner Leitung und Regie Premiere. Es gibt weitere Vorstellungen am 10./11./12. und 13. März, jeweils um 10 Uhr. Für den Sommer ist ein weiterer Vorstellungsblock vom 04. Bis 06.Juli 2025 geplant.
Gab es bei der Probe dazu besondere Momente?
Ja. Als Mitarbeiter der Werkstätten für Menschen mit Behinderung uns vor 14 Tagen im Freizeitforum besuchten und die unglaublich schönen Dekorationsteile gebracht haben. Unsere Proben sind meistens voller besonderer Momente. Bei aller Anstrengung, gibt es doch vor allem Spaß und Spielfreude, die immer an erster Stelle stehen muss.
Was wünscht du dir für diese Aufführungen?
Viele Zuschauer.
Das Gespräch führte Uta Baranovskyy

